Links und beliebt: Die geheime Strippenzieherin aus dem Rathaus
Wenn Heike Sudmann (Die Linke) ans Mikro tritt, wird’s meist hitzig im Plenarsaal des Rathauses. Dann stichelt sie und bohrt nach, sie nimmt ihre Kontrahenten mit Wonne in die Zange. Im politischen Hamburg gilt die 61-Jährige als fachlich versierte Nervensäge – für ihre Fraktion ist sie schwer entbehrlich. Jetzt hat die Politikerin eine Entscheidung über ihre Zukunft gefällt. Und nicht jeder im Rathaus dürfte sich darüber freuen.
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Wenn Heike Sudmann (Die Linke) ans Mikro tritt, wird’s meist hitzig im Plenarsaal des Rathauses. Dann stichelt sie und bohrt nach, sie nimmt ihre Kontrahenten mit Wonne in die Zange. Im politischen Hamburg gilt die 61-Jährige als fachlich versierte Nervensäge – für ihre Fraktion ist sie schwer entbehrlich. Jetzt hat die Politikerin eine Entscheidung über ihre Zukunft gefällt. Und nicht jeder im Rathaus dürfte sich darüber freuen.
„Danke, Frau Sudmann, wir haben Ihre Frage denke ich alle verstanden“, mit diesen Worten unterbrach Mathias Petersen (SPD), Vorsitzender des Haushaltsausschusses, freundlich, aber bestimmt die Rede der Linken-Abgeordneten. Sudmann lachte kurz, hob entschuldigend die Arme. „Ich rede mich so leicht in Rage.“
Linken-Politikerin Sudmann will 2025 wieder kandidieren
In der Sitzung ging es um den Elbtower. Seit Oktober schon ruhen die Arbeiten auf der umstrittenen Baustelle in der HafenCity, inzwischen ist der Bauherr, die Signa, endgültig insolvent, die Zukunft des 100 Meter hohen Baustumpfes ungewiss. Gerade erst hat die MOPO aufgedeckt, dass mit der Hamburg Commercial Bank nun auch noch der wichtigste Mieter abgesprungen ist. Für den Senat ist das eine mittelschwere Katastrophe. Für Sudmann ein Triumph.
„Wenn es um den Elbtower geht, muss ich aufpassen, dass ich zum Senat nicht immer wieder sage: Ich hab’s euch doch gesagt“, sagt sie der MOPO. „Als Olaf Scholz damals diesen Turm präsentierte, meinte ich von Anfang an: Guckt euch genau an, was und wohin ihr das baut. Damals wurde ich als doof abgetan. Ich bin trotzdem natürlich nicht froh darüber, Recht behalten zu haben.“ Inzwischen hat sie sich zu so etwas wie einer bürgerschaftlichen Chef-Ermittlerin in dieser Sache aufgeschwungen.
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Eigentlich, so erzählt es Heike Sudmann, wollte sie bei der nächsten Wahl gar nicht mehr antreten. „Aber ich rege mich immer noch über die gleichen Themen auf“, erzählt sie jetzt der MOPO – und hat sich deshalb doch wieder für eine Kandidatur in ihrer Partei entschieden. Für ihre Mitstreiter ist das ein Segen. Denn Sudmann ist hartnäckig – und sie legt den Finger in die Wunden.
Schon in den 90er Jahren saß sie in der Bürgerschaft, von 1993 bis 1997 für die Grüne Alternative Liste. Als sich die Grünen dann für den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo aussprachen, trat sie zusammen mit drei weiteren Abgeordneten aus und gründete die Abspaltung „Regenbogen“. Die Partei scheiterte bei den Wahlen 2001 allerdings an der Fünf-Prozent-Hürde. Seit 2011 sitzt sie für die Linken wieder in der Bürgerschaft, ist Partei-Sprecherin für Verkehr, Wohnen und Stadtentwicklung.
Das Thema mit der Hamburger Straßenbahn
Bei einem Thema lässt sie nicht locker: Seit über zehn Jahren kämpft Sudmann für ein Comeback der Straßenbahn in Hamburg. Bei den Grünen und der SPD verursacht das regelmäßiges Augenrollen. „Ich finde diese Diskussion um die Stadtbahn einfach inzwischen langweilig“, ließ Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) dazu verlauten.
„Ich kämpfe immer noch dafür, weil die Busse im Stau stehen und die U5 wenn überhaupt frühestens 2045 auf ganzer Strecke eröffnet wird“, hält die Linken-Politikerin dagegen. „Wenn überall in der Stadt Baugruben auftauchen, werden sich die Menschen nicht freuen, dafür in 20 Jahren U-Bahn fahren können.“ Deshalb will sie das Thema nicht begraben. „2011 galt noch die Ansage, überhaupt keine Straßenbahn zu bauen, inzwischen sagen viele, dass es eine Ergänzung sein könnte. Steter Tropfen höhlt den Stein“, sagt sie.
Trotz ihrer teils zynischen und schroffen Kommentare, wird sie auch von der politischen Konkurrenz ausdrücklich gelobt. „Frau Sudmann, so gut vorbereitet und eingelesen wie immer“, sagte Tjarks erst kürzlich in einer Sitzung des Verkehrsausschusses. Etwa ein Drittel aller Kleinen Anfragen der Linken an den Senat wurden in dieser Legislaturperiode allein von Heike Sudmann gestellt.
Links-Partei kämpft an der Fünf-Prozent-Hürde
Währenddessen kämpft ihre Partei gegen den Abwärtsstrudel: Die internen Zickereien auf Bundesebene und die Gründung einer Konkurrenzpartei der umstrittenen ehemaligen Linken Sahra Wagenknecht gehen auch am Hamburger Landesverband nicht spurlos vorbei. Zog die Partei 2020 mit 9,1 Prozent noch souverän in die Bürgerschaft ein, stehen aktuelle Umfragen bei sieben Prozent.
Sudmann glaubt trotzdem fest an den Erfolg. „Bei dem aktuellen Rechtsruck in der Gesellschaft ist es umso wichtiger, dass wir einen linken Gegenpol bieten.“