Hamburger Senat verrät das 1,5°-Ziel!

von Stephan Jersch und Janine Burkhardt

 

1 Einleitung

Mit dem Pariser Klimaabkommen hat sich die Weltgemeinschaft auf einer Begrenzung der Erderwärmung weit unter 2 Grad geeinigt. Angestrebt wird die Begrenzung auf 1,5 Grad. Dafür braucht es vor allem eine massive Reduzierung der Treibhausgasemissionen, die bis 2030 fast halbiert werden müssen. Nach dem IPCC Bericht ist dies noch möglich, jedoch nicht mit den Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden. Ohne eine Verstärkung der Maßnahmen steuern wir auf eine globale Erwärmung um 3,2 Grad bis 2100 zu. Mit zunehmender Erderwärmung steigt das Risiko von extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen, Dürren und Starkregefällen. Mit jedem zusätzlichen Grad werden Anpassungsmöglichkeiten, die heute noch effektiv erscheinen mögen, ineffektiver.

„Wir alle für 1,5°“ – so lautet der rund 60 Meter lange Schriftzug auf der Mönckebergstraße, der von der Klimabewegung Fridays for Future als Teil des siebten globalen Klimastreiks auf der Fahrbahn aufgebracht wurde. Der Senat fühlt sich offenbar mit der Ansprache „Wir“ nicht mitgemeint. Dieser gab jüngst in der Anhörung zum neuen Klimaschutzgesetz zu, dass sich der Senat nicht länger mit den 1,5°-Ziel befasse, sondern das Gesetz und den Klimaplan auf das 1,75°-Ziel ausgerichtet habe. Dies ist eine äußerst problematische Aussage, heißt es doch im Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen: „Die Koalitionspartner sehen sich den Zielen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, und sie orientieren ihre Politik am dort vereinbarten 1,5°-Ziel.“ Welch eine Ironie, dann im Rahmen der Novellierung von einem „Klimaschutzstärkungsgesetz“ zu sprechen. Diese klammheimliche Aufgabe des Klimaziels Hamburgs ist blanker Hohn gegenüber all jenen, die sich für Klimaschutz und das 1,5°-Ziel stark machen. Kurzum, der Senat macht mutlose Politik, die noch dazu demotivierend ist. Er schreibt das 1,5°-Ziel ohne Not schon jetzt ab. Dies hat eine verheerende Signalwirkung, denn damit gilt der auf der Mönckebergstraße zu findende Schriftzug nicht mehr und die Klimapolitik des Senats wird insgesamt zur Farce.

In diesem Artikel möchten wir auf einige Aspekte des Klimaschutzstärkungsgesetzes und des Klimaplans näher eingehen.

 

2 Was beinhaltet das Klimaschutzstärkungsgesetz und der Klimaplan?

Die Regierungskoalition in Hamburg hat mit der Novellierung des Klimaschutzstärkungsgesetzes neue Ziele definiert. So sollen bis zum Jahr 2030 die energiebedingen CO2-Emissionen um 70 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 gesenkt werden. Bis 2045 strebt die Stadt schließlich die Netto-CO2-Neutralität (Reduktion um 98%) an.

2019 lagen die CO2-Emissionen Hamburgs noch bei über 14 Mio. Tonnen. 2020 lagen die gesamten CO2-Emissionen bei 13,1 Mio. Tonnen. Dies lag nicht zuletzt an der Corona-Pandemie. Nach der derzeitigen CO2-Verursacherbilanz sind die Emissionen 2021 im Vergleich zu 2020 wieder gestiegen, liegen aber immer noch unter dem Niveau von 2019. Im Vergleich der Jahre 2019 und 2021 wird klar, dass innerhalb dieser zwei Jahre vergleichsweise wenig CO2 eingespart wurde.

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Abb. 1: CO2-Emissionen Hamburgs (exklusive Luftverkehr)[1]

Der Klimaplan ist nach Sektoren unterteilt:

  • Private Haushalte (PHH)
  • Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (GHD)
  • Industrie
  • Verkehr (ohne internationalen Luftverkehr)

Für jeden Sektor wurden Reduktionsziele definiert, die der nachstehenden Abbildung entnommen werden können:

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Abb. 2: Erforderliche Reduktionsbedarfe pro Sektor[2]

Hierbei wird deutlich, dass die Sektoren GHD und Industrie bis 2030 gegenüber 2021 am meisten CO2 reduzieren sollen (über 60%). Auch die privaten Haushalte müssen innerhalb der nächsten sieben Jahre große Reduktionsschritte vollziehen (rund 54% bis 2030). Der Sektor Verkehr kommt vergleichsweise glimpflich davon – er muss bis 2030 gegenüber 2021 lediglich 27% einsparen. Somit unterscheiden sich die Reduktionsziele der Sektoren erheblich.

Im Wesentlichen sollen die Reduktionsanforderungen durch Energieeffizienz, Energieträgerwechsel und Dekarbonisierung von Energieträgern erzielt werden. Energieeffizienz soll vor allem durch die Reduktion des Endenergiebedarfs erreicht werden. CO2-Emissionen sollen z.B. durch die energetische Sanierung der Gebäudehüllen, Dekarbonisierung der Fernwärme und durch die bundesweiten Anpassungen im Energiemix reduziert werden. Weitere Kernpunkte des Klimaschutzstärkungsgesetzes sind u. a. auch die Verpflichtung zur Installation von Photovoltaik-Anlagen auf Bestandsgebäude ab 2024 (wenn das Dach saniert wird) bzw. zur Dachbegrünung in Kombination mit Photovoltaik ab dem Jahr 2027. Zudem müssen künftig auch neue Parkplatzflächen (ab 35 Stellplätzen) mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet werden.

 

3 Was sind die wesentlichen Kritikpunkte?

 

3.1 Klimaschutz vs. Soziales

Wirkungsvolle Klimamaßnahmen mit der Zielsetzung der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dabei darf die Klimagerechtigkeit bei der Umsetzung der Maßnahmen nicht aus den Augen verloren werden, denn sie bestimmt über Erfolg und Misserfolg bei der Erreichung der Ziele. Im Zuge der Umsetzung des Klimaschutzstärkungsgesetzes befürchten jedoch viele Hamburger*innen steigende Mieten. Welche Kosten im Zuge der Maßnahmenumsetzung z. B. bei der Installation von Photovoltaik-Anlagen und/oder Gründächern auf die Mieter*innen umgeschlagen werden können, ist vollkommen offen. Im Rahmen der durchzuführenden Sanierung der Gebäude muss die Warmmietenneutralität für die Mieter*innen gewährleistet werden. Klimaschutz und bezahlbare Mieten dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Gegenüber Mieter*innen muss schnell konkretisiert werden, was auf sie zukommt und wie Härten abgefedert werden. Der Senat muss hierzu ein Instrument schaffen.

 

3.2 Fehlendes CO2-Budget

Bisher hat sich der Senat geweigert, für Hamburg eine CO2-Budgetierung vorzunehmen und seine Maßnahmen im Klimaplan danach auszurichten. Mark Roach von GermanZero e.V. hat bereits in der Anhörung zum Klimaschutzgesetz nachgewiesen, dass der Senat nicht mehr plant, das 1,5°-Ziel einzuhalten und stattdessen auf ein 1,75°-Ziel zusteuert (67 Prozent Wahrscheinlichkeit). Er kritisierte auch, dass nicht mit einem CO2-Budget gearbeitet wird, welches viel deutlicher machen würde, dass Hamburg die CO2-Emissionen noch schneller und drastischer herunterfahren muss. Der Senat hatte ein Gutachten zum CO2-Restbudget in Auftrag gegeben.[3] Aus diesem geht hervor, dass eine Diskussion zwischen den Bundesländern zur Verteilung des Restbudgets erforderlich wäre. Es stellt gleichzeitig aber auch klar, dass dafür wertvolle Zeit für wirksame Maßnahmen verloren ginge. Hamburg stünde es frei, ohne eine aufwendige Abstimmung zwischen den Bundesländern, einen Anteil am bundesweiten CO2-Budget für sich zu bestimmen. Dies wäre mit einer einfachen Rechnung auf Basis der Bevölkerungszahl umsetzbar. Bedauerlicherweise macht sich der Senat diesen Vorschlag nicht zu eigen. Dabei wäre das CO2-Budget eine Messlatte, die sich Hamburg selbst setzen kann. Es bleibt die Vermutung, dass sich der Senat nur dagegen wehrt, weil mit einem CO2-Budget die eklatante Zielverfehlung bei der Umsetzung der Klimamaßnahmen deutlicher hervorgeht.

 

3.3 Fehlende Zwischenziele und mangelnde Nachsteuerung

Im Klimaplan und auch im Klimaschutzstärkungsgesetz fehlt es an Zwischenzielen. Dies wurde im Rahmen der Anhörungen in den Ausschüssen der Bürgerschaft seitens der Expert*innen immer wieder kritisiert. Auch der Klimabeirat hob in seiner Stellungnahme die Notwendigkeit von Zwischenzielen hervor, um zu prüfen, ob Hamburg sich verlässlich auf die Ziele, die für die Jahre 2030 und 2045 festgelegt wurden, hinbewegt. Fehlende Zwischenziele erschweren die Nachsteuerung bei Zielverfehlung bzw. macht sie beinahe unmöglich. Denn: Die Datenverfügbarkeit hinsichtlich der CO2-Verursacherbilanz durch das Statistikamt Nord ist eine große Baustelle, da die endgültigen Daten für die Bilanz erst 21 Monate nach dem jeweiligen Jahr zur Verfügung gestellt wird (für das Jahr 2023 bspw. werden die Daten erst im Herbst 2024 vorhanden sein). Auch eine vorläufige CO2-Verursacherbilanz, die im Frühjahr des übernächsten Jahres erscheint, verschafft keine Abhilfe. Der Senat will nun an einer Schätzbilanz arbeiten, die bereits nach drei Monaten im Folgejahr zur Verfügung stehen soll. Was das jedoch für die Nachsteuerung bedeutet ist noch unklar. Eine Zielverfehlung, kann nach derzeitigen Stand erst nach über einem Jahr festgestellt bzw. abgeschätzt werden. Der Senat plant dann nach weiteren sechs Monaten Maßnahmen zur Nachsteuerung zu treffen. Dadurch geht wertvolle Zeit für den Klimaschutz verloren. Kann eine Schätzbilanz erstellt werden, dann muss hierfür jährlich ein Bericht erfolgen und eine Nachsteuerung entsprechend frühzeitig eingeleitet werden, wenn absehbar das Ziel verfehlt wird.
Die Nachsteuerung konzentriert sich dabei auf Maßnahmen des Bundes, genauer gesagt auf den Bundesstrommix und dessen Anteile an erneuerbaren Energien. Wenn Hamburg sein gesetztes Ziel verfehlt, will der Senat das Gespräch mit dem Bund suchen. Obwohl der Senat nicht müde wird, die Vorreiterrolle Hamburgs in Sachen Klimaschutz hervorzuheben, werden die eigenen Bemühungen in Sachen Klimaneutralität klein gemacht. Hier entsteht der Eindruck, dass der Erfolg oder Misserfolg der Hamburger Klimamaßnahmen nur vom Bundesstrommix abhänge. Hamburg hat jedoch deutlich mehr Handlungsmöglichkeiten als nur auf den Bundesstrommix zu verweisen. Der Klimabeirat führt beispielsweise aus, dass Hamburg einen Großteil seines Strombedarfs aus Photovoltaikanlagen decken könnte. Dazu bedürfte es jedoch einer Strategie, die Hamburg in dieser Sache noch nicht hat.

 

3.4 Fehlende Definition von Klimaneutralität/ CO2-Neutralität ≠ Treibhausgasneutralität

Zentraler Aspekt des Klimaplans und des Klimaschutzstärkungsgesetzes ist der Fokus auf die Klimaneutralität. Jedoch setzt der Senat Klimaneutralität mit CO2-Neutralität gleich. Sonstige Treibhausgase wie Methan, Lachgas und fluorierte Treibhausgase (F-Gase), die eine deutlich höhere Klimawirkung haben, werden ignoriert. Sie werden zwar im Bericht erfasst, aber es werden keine Maßnahmen, die zur Reduzierung dieser Gase oder zur Kompensation führen, formuliert. Gerade F-gase (z.B. Fluorkohlenwasserstoffe, Schwefelhexafluorid etc.) sind extrem klimawirksam und haben ein Treibhauspotenzial um den Faktor 100 bis 24.000 über dem von CO2. Hamburg schätzt ihren Anteil auf 1,7 Prozent der Gesamtemissionen (2021). Das klingt zwar nach einem geringen Anteil, jedoch muss die Wirksamkeit und die Lebensdauer der Gase in der Atmosphäre mitberücksichtig werden. Das erhöht ihren Stellenwert in Sachen Klimaschutz erheblich. Wer von Klimaneutralität spricht, muss die weiteren Treibhausgase in die Maßnahmenplanung mit einbeziehen.

 

3.4.1 Nachlässiger Umgang mit Sulfuryldifluorid

Ein gutes Beispiel für den nachlässigen Umgang mit sonstigen Treibhausgasen ist Sulfuryldifluorid (SO2F2), welches zur Begasung von Containern für den Stammholzexport (hauptsächlich nach China) verwendet wird. Laut IPCC ist das Treibhauspotenzial von Sulfuryldifluorid auf 20 Jahre gesehen 7.510-mal klimawirksamer als CO2. Die Klimaauswirkung ist vergleichbar mit der des Kohleheizkraftwerk Tiefstack.

2015 kamen in Hamburg knapp 17 Tonnen Sulfuryldifluorid zum Einsatz. 2019 stieg die Einsatzmenge, hauptsächlich für die Schädlingsbekämpfung für Stammholzexporte nach China, sprunghaft auf über 200 Tonnen an. Zwar sind die Einsatzmengen mittlerweile im geringen Maße rückläufig, dennoch wurden 2022 noch rund 150 Tonnen Sulfuryldifluorid in Hamburg verwendet. Zwischen Januar und Juli 2023 wurden bereits 117 Tonnen eingesetzt.

Bisher gibt es für dieses Gas keine konkreten Pläne zur Reduktion. Das hat unter anderem den Grund, dass dieses Gas nicht zu den im Kyoto-Protokoll aufgeführten Treibhausgasen gehört und demnach keine Verpflichtung zur Begrenzung besteht. Auch bei Klimabilanzen muss es nicht berücksichtigt werden. Immerhin führt Hamburg dieses Gas nachrichtlich im Klimareport mit auf. Derzeit wird an der TU Hamburg daran geforscht, wie das Gas aus den begasten Containern zurückgewonnen werden kann. Bis hier jedoch Ergebnisse vorliegen werden Jahre vergehen, Jahre in denen Sulfuryldifluorid unbegrenzt verwendet wird. Wenn Hamburg Vorreiter sein möchte, dann kann die Stadt diesen Umstand nicht ignorieren. Ein Antrag der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, kein SO2F2 begastes Stammholz mehr über den Hamburger Hafen zu exportieren und bei der Fortschreibung des Klimaplans den Ausstoß aufzunehmen und zu kompensieren, wurde jedoch abgelehnt (Drucksache: 22/6437). Dies wäre jedoch eine erste sinnvolle Maßnahme, bis eine entsprechende Anlage zur Abscheidung von Sulfuryldifluorid zur Verfügung steht. Leider ging aus den Anhörungen zum Klimaschutzgesetz hervor, dass der Senat auch weiterhin keine Notwendigkeit zur Regulierung des Stammholzexportes sieht, da das zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen europäischen Häfen führen könnte.

 

3.6 Flächendruck und Nutzungskonflikte

In Hamburg sind freie Flächen knapp. Zukünftig werden sich Flächendruck und Nutzungskonflikte weiter verschärfen. Hamburg benötigt Flächen für Wohnraum, gleichzeitig sollen Moore und Wälder zu CO2-Senken weiterentwickelt, Flächen entsiegelt und Freiflächenphotovoltaikanlagen gebaut werden. Zudem benötigt Hamburg auch für den Aufbau einer Wasserstoffindustrie Flächen (z.B. für Produktion und (Lade-)Infrastruktur). Schon jetzt findet die Stadt Hamburg für eine Maßnahme zur Aufforstung von sieben Hektar Wald keine Flächen. 2023 wurde eine neue Suche nach Aufforstungsflächen gestartet. Um die CO2-Neutralität 2045 zu erreichen, werden CO2-Senken jedoch notwendig sein, denn es wird Bereiche geben, in denen CO2-Emissionen unvermeidbar sind. Moore sind, obwohl sie nur drei Prozent der Erde bedecken, die wichtigsten CO2-Speicher der Erde im Vergleich zu anderen Ökosystemen (z.B. Wälder). Allein in Deutschland sind 1,3 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Mooren gespeichert.[4] Weltweit sind Moore durch menschliche Einflüsse bedroht, denn der Boden von Mooren ist durch einen andauernden Wasserüberschuss geprägt. Werden Moore jedoch beispielsweise entwässert, wird das gespeicherte CO2 freigesetzt. Daher sind der Erhalt und das Wachstum von Mooren wichtig für den Schutz des Klimas. Obwohl Hamburg den Schutz von Moorflächen für vordringlich hält, sollen mit dem Bau der A26 Ost trotzdem Moorflächen vernichtet werden. Schon deshalb ist der Bau ein Vorhaben, das den Schutz des Klimas konterkariert, denn durch den Abbau von Torf und die Entwässerung von Mooren wird gebundenes CO2 freigesetzt. Zudem würde der Bau der A26 Ost den Plänen des Hamburger Senats, den Anteil des Umweltverbunds im Stadtverkehr stark zu erhöhen (80% bis 2030), zuwiderlaufen.

 

3.7 Wo ist die Klimafolgenanpassung?

Die Klimaanpassung wurde aus dem Klimaplan herausgenommen. Diese soll nun um Rahmen einer separaten Klimaanpassungsstrategie für Hamburg berücksichtigt werden, welche sich derzeit in Arbeit befindet. Dadurch soll die Bedeutung der Klimaanpassung deutlicher werden. Dieses Vorgehen wird u.a. vom Klimabeirat skeptisch gesehen, denn hierzu fehlt es an adäquaten gesetzlichen und strategischen Grundlagen. Gerade in Sachen Klimafolgenanpassung muss Hamburg schnell handeln. Die Novellierung des Klimaschutzgesetzes wäre eine Möglichkeit gewesen, die Klimafolgenanpassung stärker zu integrieren und auszubauen. Ob aus der Klimaanpassungsstrategie auch eine gesetzliche Regelung wird, bleibt stattdessen vorerst offen. Maßnahmen für den Klimaschutz und Maßnahmen für die Anpassung voneinander zu trennen, macht eine Identifizierung von Synergieeffekten zudem schwierig.

 

3.8 Keine Suffizienz-Strategie

Suffizienz bedeutet verkürzt Energie und Ressourcen zu sparen, um Umwelt, Ressourcen und das Klima zu schonen. Oft genug wird dabei an den Lebensstil eines jeden Menschen appelliert (z.B. mit Energiespartipps). Der Aspekt des Ressourcenschutzes (Suffizienz-Strategie) wird beim Klimaplan jedoch so gut wie gar nicht berücksichtigt. Der Klimaplan fokussiert sich nur auf das Verhalten von Verbraucher*innen – diese müssten Suffizienz lernen. Mit anderen Worten, die Verantwortlichkeit für Suffizienz wird von der Industrie und vom Gewerbe auf die Verbraucher*innen übertragen. Nicht die Industrie fertigt die falschen Produkte, sondern der/die Käufer*in kauft die falschen Produkte. Diese Herangehensweise und Perspektive geht an dem Thema Suffizienz völlig vorbei. Es braucht eine ganzheitliche Suffizienz-Strategie, die über die Verantwortung der Verbraucher*innen hinausgeht und auch die Industrie und Unternehmen in die Pflicht nimmt.

 

4 Was wollen wir als Linksfraktion der Hamburgischen Bürgerschaft?

Als Linksfraktion der Hamburgischen Bürgerschaft haben wir versucht, die Leerstellen des Klimaschutzgesetzes und des Klimaplans auszufüllen. Die zentralen Punkte, die wir beantragt haben sind folgende:

  • Ausrichtung der Maßnahmen auf das 1,5°-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens
  • Einführung eines CO2-Budgets (anhand der Bevölkerungszahl)
  • Entwicklung eines Landesinstruments zur Sicherstellung der Warmmietenneutralität
  • Einsetzung von Bürger*innenräten zur Begleitung der Umsetzung der Maßnahmen
  • Entwicklung von Maßnahmen zur Reduktion und Kompensation berichtspflichtiger Treibhausgase + Sulfuryldifluorid
  • Überprüfung der Erreichung der Klimaziele Hamburgs anhand der Schätzbilanz und zeitnahe Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Nachsteuerung
  • Entwicklung einer Suffizienz-Strategie, die nicht nur die Verbraucher*innen in die Pflicht nimmt, sondern auch die Industrie ( B. Recht auf Reparatur)
  • Transparenz herzustellen, indem die Maßnahmen der jeweils zuständigen Behörde zugeordnet werden und dargestellt wird, wie viele finanziellen Mittel für die einzelnen Maßnahmen bereitgestellt werden

Es ist bedauerlicherweise zu erwarten, dass unsere Forderungen durch die Regierungskoalition aus SPD und Grünen abgelehnt werden. Das Gesetz und der Klimaplan werden am 6.12.2023 verabschiedet. Zudem wirkt es wie eine „billige“ Ausrede, wenn die Grünen angeblich schärfere Maßnahmen wollen, aber versuchen, sich mit einem Verweis auf ihre mangelnde Durchsetzungskraft gegenüber dem Koalitionspartner SPD aus der Verantwortung zu ziehen. Die Grünen sind gleichberechtigt in der Verantwortung für die Klimapolitik der Hamburger Regierung.

 

5 Ausblick – was ist jetzt zu tun?

Die Zeit für Klimaschutz wird knapp, deshalb sind Klimaproteste auch weiterhin notwendig – sogar immer notwendiger. Der Druck auf die bestimmende Politik muss aufrechterhalten werden und die klimapolitische Entwicklung bedarf einer kritischen politischen und zivilgesellschaftlichen Begleitung. Wir nehmen als Linksfraktion der Hamburgischen Bürgerschaft hierbei explizit keine Trennung zwischen vermeintlich „guten“ und „bösen“ Klimaprotesten vor. Es geht schließlich um unser aller Lebensgrundlage. Diese zu schützen, ist Aufgabe der Politik. So steht es auch im §20a Grundgesetz. Eine Abkehr vom 1,5°-Ziel ist demnach nicht hinnehmbar. Zwar mögen die 0,25° mehr unbedeutend und klein wirken, bedeuten jedoch einen großen Unterschied, denn jedes zehntel Grad mehr, bedeutet mehr und stärkere Hitzewellen, mehr Dürren, mehr Starkregenereignisse. Alles Ereignisse, auf die die Stadt Hamburg unzureichend gewappnet ist. Dieser Entwicklung muss entschiedener entgegengewirkt werden. Das Klima wartet nicht auf uns. Hamburg muss schneller und konsequenter ins Handeln kommen. Denn am Ende rechnet sich Klimaschutz immer – schließlich sichert er uns eine lebenswerte Zukunft. Wir werden als Linksfraktion auch weiterhin dafür kämpfen.

[1] Quelle: Senat (2023): Zweite Fortschreibung des Hamburger Klimaplans, Drucksache 22/12774, S. 8.

[2] Quelle: ebd. S. 4.

[3] Quelle: Ganal, I. und Dr. Bürger, V. (Öko-Institut) (2022): Entwicklung von Szenarien zum Erreichen der neuen Klimaschutzziele – CO2– Budget. Online unter: https://www.hamburg.de/contentblob/16782040/d686dfa5ecb953e0d5c56158743051a9/data/d-szenarien-co2budget.pdf, letzter Zugriff: 20.11.2023.

[4] Quelle: Heinrich Böll Stiftung (2023): Was ist ein Moor? Online unter: https://www.boell.de/de/2023/01/10/was-ist-ein-moor, letzter Zugriff: 20.11.2023.